Ein Aufschrei ging in der vergangenen Woche durch die Porsche- und Petrolhead-Welt. Das New Yorker Modelabel „rag & bone“ (engl: „Lumpen und Knochen“ – www.rag-bone.com) hatte für einen Werbeclip einen Porsche Oldtimer und ein Model engangiert. So weit so langweilig.
Die Story: Aus einem Loch im Boden raucht es schwarz. Das Model (Gabriella Wilde), eingehüllt in eine Art Filzmatte (Jacke), stiert in die Kamera. Nach einigen esoterischen Synthiklängen taucht plötzlich ein schwarzer Porsche 911 SC im Bild auf. Das Model läuft Richtung Kamera, während von der Studiodecke ein großer Betonklotz auf das schwarze Porsche Coupé knallt. Der Wagen wird dabei total zerstört. Das Modell erschrickt.
Hier ist das Video.
Stellt sich die Frage: Darf man einen klassischen Porsche vor laufender Kamera zerstören? Oder genauer: Darf man einen Oldtimer als Unternehmen aus Werbegründen zerstören?
Die Porsche-Szene ist sich einig und fällt über rag & bone her. Das Video hat Stand 2.8.2015, 13.00 Uhr mehr als 5.300 Dislikes (und 50 Likes) erhalten. Die Top-Kommentare auf Youtube sprechen Bände.
„WTF why did you do that……….its vintage they aint making them no more………and its a appreciating car…“
(Verf..ckt noch mal, warum habt Ihr das getan. Das ist ein Klassiker, der nicht mehr gebaut wird …. und ein im Wert steigendes Auto…)
„11 Likes and 798 Dislikes , Because you destroyed a perfect car , thats what you get.“
(11 Likes und 798 Dislikes, weil Ihr ein perfektes Auto zerstört habt – das bekommt man dafür)
„This just in: shitty wannabe-progressive-but-really-just-immature-and-pretentious „fashion“ company crushes a perfect ’72 Porsche 911 SC because they’re fucking ignorant and stupid. Good going, your laughable attempt at „bringing the city indoors“ and being modern has done nothing more than alienate an entire base of men and/or women that MIGHT have bought from you before you went and destroyed an iconic car. Anyone with even an inkling of love for Porsche WILL NOT be purchasing from you and unfortunately for you that’s a VERY large portion of America. You need to fire your ad agency and stop trying to make statements that don’t need to be made. I’ve never heard of you before and now on my first instance of hearing your name you have automatically received a negative image. Nice try.“
(Ich möchte hinzufügen: schei.. möchtegern-progressive-aber-in-der-Realität-unreifes-und-anmaßendes „Mode“-Unternehmen zerstört einen perfekten 72er Porsche 911 SC weil es verf…ckt unwissend und dumm ist. Gut gemacht, Euer lachhafter Versuch die „Stadt in die vier Wände“ zu bringen und modern zu sein hat nichts anderes bewirkt, als eine ganze Gruppe von Männern und Frauen zu befremden, die möglicherweise etwas von Euch gekauft hätten, bevor Ihr ein automobile Ikone zerstört habt. Jeder, der auch nur ein Quentchen Liebe für Porsche übrig hat, wird nichts mehr von Euch kaufen und unglücklicherweise für Euch ist das eine ziemlich große Gruppe in Amerika. Ihr solltet Eure Agentur feuern und aufhören, Statements abzugeben, die nicht gemacht werden müssen. Ich habe zuvor nie von Euch gehört und jetzt habt Ihr beim ersten Mal, dass ich von Euch gehört habe, direkt ein negatives Image bekommen. Netter Versuch.)
Was mir gehört, darf ich zerstören
Doch versuchen wir, die Sache mal nüchtern zu sehen: Was ich kaufe, gehört mir. Und ich darf damit machen, was ich möchte. Oder? Wenn ich also der Meinung bin, dass mein Eigentum zerstört werden sollte, gibt es niemanden, der mich davon abhalten kann. So die Gesetzeslage und die Theorie.
Nehmen wir ein anderes Beispiel, das Anno 2015 gar nicht so weit weg ist von der wahnsinnigen Realität: Ein reicher Milliardär ist der Meinung, dass das künstlerische Werk von Rubens gotteslästerlich ist, weil Peter Paul seinen Hauptdarstellerinnen zu wenig Klamotten anzog.
Also kauft er für ein paar Millionen die Bilder „Venus und Adonis“, „Das Urteil des Paris“ und „Kallisto und Jupiter“, um sie öffentlich auf den Scheiterhaufen zu werfen und die Welt zu retten.
Da wäre ganz schön was los.
Porsches sind keine Kunst
Jetzt kann man behaupten, dass „Venus und Adonis“ aus dem Jahr 1615 wenig mit einem 1978er Porsche 911 SC gemein haben. Das Gemälde ist ein Einzelstück und 400 Jahre alt. Es stammt von einem der bekanntesten Maler weltweit und ist ein Meilenstein der Malerei. Der SC dagegen ist ein Auto, das gerade mal 37 Jahre alt ist. Nach seiner Zerstörung bleiben einige tausend gut erhaltende Exemplare übrig.
Alles gut oder?
Natürlich nicht.
Beim Porsche 911 SC handelt es sich um einen mehr als 30 Jahre alten Oldtimer, der anerkanntermaßen zu den Ikonen der Automobilgeschichte gehört. Der Porsche 911 ist nicht nur der am längsten in Serie gebaute Sportwagen der Welt. Neunelfer aller Baujahre stehen in Museen und Designausstellungen, weil sie zu den bedeutendsten Meilensteinen industriellen Designs gehören. Ein Porsche 911 ist daher nicht irgendein beliebiger Gegenstand. Er ist ein Gegenstand, der vor einem historischen, kulturellen und gestalterischen Hintergrund mit Respekt behandelt werden muss.
Das gilt für jedes Exemplar. Denn jeder fahrende Porsche ist eine mobile Designausstellung und damit auch ein Beitrag zu Allgemeinbildung. Gerade in Zeiten, die von billiger, schlechter und austauschbarer Formgebung geprägt sind, legt ein klassischer 911 Zeugnis davon ab, was gute Gestaltung ausmacht: Schnörkellos, funktional und zeitlos. Sowas gab es mal – liebe Kinder! Und es fährt auf der Straße rum.
Jedes verlorene Exemplar ist daher ein Verlust nicht nur für Oldtimersammler und begeisterte Porschefahrer, sondern auch ein Verlust für die Allgemeinheit und ihr täglich abnehmendes Bildungsniveau. Das ist weit hergeholt? Vielleicht nicht.
Keine ausreichende Rechtfertigung
Es gibt also keinerlei Rechtfertigung dafür, ein solches Auto aus Werbegründen zu zerstören. Schon gar nicht vor dem Hintergrund, mehr Mode verkaufen wollen.
Die Zerstörung des Elfers ist im rag & bone-Clip nichts anderes als ein billiger Eyecatcher, der einen viralen Effekt erzeugen soll. Virale (sich virusartig verbreitende) Effekte sind insbesondere für den Markenaufbau im Internet heute ein beliebtes Marketing-Instrument. Sie funktionieren nach einem grundsätzlich einfachen Prinzip: Je plakativer der Effekt / die Emotion, die ich über ein Web-Video erzeuge, desto schneller verbreiten sich Video und Image der Marke im Internet.
An dieser Stelle muss sich die betreuende Agentur sehr ernsthaft die Frage gefallen lassen, ob sie die Grundlagen ihres Handwerks versteht. Auch wenn der Clip unbestreitbar viral geworden ist (Glückwunsch), so ist die damit verbundene Message unklar und die Reaktion in den sozialen Medien vorhersehbar. Die theoretische Markenbotschaft „Wir sind cool“, „Wir sind künstlerisch“, „Wir sind anders“ wird nämlich klar überlagert von einem negativen und zerstörerischen Akt, der keinerlei positive Strahlkraft auf die Marke haben kann. Egal, ob man Porsche-Fan ist oder nicht.
rag & bone has an understated coolness. It is chic with an edge which I love.
(Zitat des Models Gabriella Wilde im „rag & bone“ Blog)
Die Art und Weise, wie rag & bone hier „Werbung“ macht, ist umso unverständlicher, als wir in einer Zeit leben, die von täglicher und sinnloser Zerstörung geprägt ist. Die Zeitungen und Zeitschriften sind voll davon.
Meine Meinung: Eine Zeit, in der Menschenleben so wenig wert sind, wie jahrtausendealte Kunstwerke, hat eines ganz bestimmt nicht nötig: Noch mehr sinnlose Zerstörung von Kulturgütern egal welcher Art. Auch, wenn es sich „nur“ um einen klassischen Porsche handelt.
Hinweis: Die Aktion von rag & bone ist keineswegs der erste Fall der Zerstörung eines (klassischen) Porsches. Weitere Videos in Kürze in Teil 2 von „Crushing Porsches“.
Lieber Ansgar,
herzlichen Dank für diesen wunderbaren Kommentar. Ich habe meinem Unmut über das Video schon im 911er Forum schon geäußert. Diese Art von Videos haben gar nichts mehr mit guter Werbung zu tun. Es ist einfach nur schrecklich und obendrein noch richtig schlecht! Bei mir stößt das einfach nur auf Unverständniss. Ich bin vielleicht schon zu alt für eine solche Art von Kommunikation? Mag sein, trotzdem finde ich es sehr traurig, dass ein solcher Clip die Zerstörung eines „Kulturgutes“ zeigt. Egal ob es ein alter Käfer, Fiat oder auch Porsche ist … so ein Unsinn ist einfach nur unterste Schublade.
Danke für Ihre tollen Zeilen. Besser kann man es wirklich nicht beschreiben.
Guten Start in die neue Woche mit hoffentlich wieder geistreicheren Informationen aus der Werbewelt.
Mit besten Grüßen auch an die Frau
Joachim
Hallo Joachim,
vielen Dank für die netten Worte. Ich denke, dass es wichtig ist, dass sowas geschrieben wird und genauso wichtig, dass es es auch kommentiert wird, damit bei den Recherechen für kommende virale Spots dieser Art weder ein Oldtimer Porsche noch ein Mercedes Oldie, Ferrari-Klassiker oder Jaguar-Veteran dran glauben muss. Je mehr Leute auch außerhalb der Szene kapieren, was sie da kaputtmachen, desto mehr Autos bleiben für uns und die den Rest der Nachwelt über. Grüße an die Frau sind ausgerichtet. Danke!
Was soll man von einer Branche erwarten die magersüchtige Models
schön findet?
So isses…
Tja, ich kannte bis dahin rag & bone (beste Beschreibung für deren mehr als unansehnliche Mode…) nicht. Jetzt schon. Auch negative Publicity IST Publicity. Marketingziel erreicht…
P.S. Ich verurteile das unnütze Zerstören jeglicher Fahrzeuge sehr, werde mir und meiner Frau auch nie Klamotten dort holen (weil wir haben genug solche Getreidesäcke, wir nutzen die zum Heueinholen…)
P.P.S. Seit wann sind Models eigentlich so hässlich? Habe ich schon wieder einen Trend verpasst?
Dem ist nix mehr hinzuzufügen…
Irgendwas tolles hat es aber auch so was zu zerstören