Die Sonne scheint nach Tagen mal wieder. Außerdem ist der 19. Mai und arbeitsfrei.
Doch – die Frau hat Kopfschmerzen. Gegen Kopfschmerzen ist frische Luft am besten. Also legen wird das Targadach in den Kofferraum und der S startet mit böswilligem Einspritzanlagenschnorcheln über kleine und kleinste Straßen Richtung Hagen. Unser Ziel: Das „zwanglose“ Oldtimertreffen im LWL-Freilichtmuseum.
Dort angekommen sind wir der einzige Porsche in einer illustren Schar von Alteisen zwischen Chevy Bel Air und Rolls. Unser Parkplatz neben einem schön schmutzigen 69er BMW mit Kriegsbemalung passt super. Hier gefällt es mir. Wir versprechen uns lockere zwei Stunden zwischen Fachwerkhäuschen, freundlichen Familien, puscheligen Hunden und schönen Oldtimern.
[slideshow id=9]Anfasser, Klopfer und Experten
Auf unserer ersten Runde über den Platz kommen wir an einem altgedienten Opel Rekord vorbei. Viele gibt es ja nicht mehr davon. Ein schönes Auto. Das meint auch der Rentner, der seinem Kumpel das Auto erklärt. „MIT SO EINEM SIND WIR FRÜHER IMMER ZUR ARBEIT GEFAHREN“, intoniert der Senior und haut zwei mal mit der Faust auf das Dach des Opel-Veteranen. Ich zucke unwillkürlich zusammen und weiß jetzt, was „zwanglos“ bedeutet. Schnell zurück zum Auto.
Dort erklärt gerade ein Experte seiner Frau den 911 S 2.4 Targa: „Porsche Cabrio von Ende der Siebziger. Das hat Porsche mal ganz kurz so gebaut – ist eine Spezialanfertigung.“ Die Frau hält sich gegen ihre Art zurück und grinst mich an. „Lass uns was essen“.
Der Prockler von Hagen
Wir haben einen Tisch im Biergarten 10 Meter entfernt vom 911 S bekommen. Irgendwie habe ich das Gefühl, als wäre das nötig. Nicht, dass Ihr mich falsch versteht: Mein Elfer ist weit von einer Pebble Beach Restauration entfernt. Das hat den Vorteil, dass ich etwas zwangloser mit ihm umgehen kann, als wenn er ein überrestaurierter „Einser“ wäre.
Daher zucke ich kaum, als ein weiterer Experte seiner Frau die Fuchsfelgen erklärt, indem er mal kurz mit den Schuhen dagegenklopft. Die Frau guckt gequält. Ich winke ab.
Doch dann kommt der Prockler von Hagen. Seine Tochter stützt sich mit beiden Händen auf dem Alu-Lüfungsgitter des S ab, um in den Motor gucken zu können. Ich bleibe ruhig. Dann entdeckt die Kleine die Ölklappe und steckt ihren Finger zwischen Klappe und Karrosse. Papa wird herbeigerufen und auf die ominöse Klappe aufmerksam gemacht. Der Erziehungsberechtigte wird neugierig und startet erst mit einem – dann mit mehreren Fingern den Versuch, die (natürlich von innen verschlossene) Klappe aufzubekommen.

„Eine Ölklappe – interessant! – Vielleicht hat er ja festverzinsliche Wertpapiere dahinter versteckt!“

„Warte – gleich habe ich´s – ich wollte doch immer Gynäkologe werden!“
Ich reiße meine Kamera hoch und knipse ein paar Beweisfotos, während ich so laut wie zwangslos eine dringende Warnung in Richtung Prockler brülle. Das bekommt der gar nicht mit. Lediglich die Frau des Procklers von Hagen spürt die Unruhe unter den Besuchern des Biergartens und zerrt Mann und Kind vom 911 S weg. Die Ölklappe hängt etwas schief am ohnehin gepeinigten Originalscharnier. Ich wische fettige Kinderhandabdrücke von der Motorklappe. Wir fahren. Zwanglos aber zügig. Tschüss Hagen.
Nachsatz
Ehe hier der falsche Eindruck aufkommt. Das Gros der Veranstaltungsbesucher hat sich anständig benommen und stand den Autos mit Respekt gegenüber. Trotzdem fällt auf, dass nicht nur einige wenige „Laien“ mit alten Fahrzeugen so umgehen, als wenn sie ihnen gehören oder nichts wert wären. Aber Intelligenz, soziale Kompetenz und Rücksicht sind ja in unserer Gesellschaft eh mit der Lupe zu suchen..
Das darf doch wohl nicht wahr sein !! Von mir hätte er garantiert eine Watschen bekommen…
Danke Stefan, aber sowas geht immer so schnell, dass man gar nicht drauf reagieren kann. Vor Allem weil Du ja irgendwie mit Allem rechnest aber nicht mit sowas Dämlichen… – beim nächsten mal bin ich da drauf gefasst und vorbereitet…
[…] wir fahren”, sagt die Frau schaudernd eingedenk unserer Erfahrungen mit dem “Prockler von Hagen” vor drei Wochen. Ich kann Sie überzeugen, dass eine Wurst im Brötchen noch drin sein muss, bevor wir in den S […]
Oh Gott!
Ich hätte die Contenance nicht bewahren können…!