Schottland 2012 TdM Blog News

Im Porsche 911 nach Schottland Tag 1: Essen – Calais – Dover – Clare

Written by hansbahnhof

Nach einem Sommer voller Regen und Benzinpreisen um die 1,70 Euro pro Liter ist es nur logisch, das man schnellstmöglich weg will aus Deutschland. Zum Beispiel mit einem Billigflieger nach Kuba. Schirmchencocktails aus Knickstrohalmen trinken, Havannas rauchen und den Kubanern beim Kommunismus zugucken. Perfekt. Aber auch langweilig, weil es ja doch irgendwie alle machen. Also fahren die Frau und ich nach Schottland. Im September. Mit einem Auto, das bei Regen nicht ganz dicht ist, 15 Liter verbraucht und kaum Platz für Gepäck hat.

In the middle of the night

1. September, 5.00 Uhr morgens. Damit Urlaubsgefühle erst gar nicht aufkommen, klingelt der Wecker mitten in der Nacht. Draußen ist es dunkel und nieselt. Unser Sommerurlaub im Porsche 911 von 1972 beginnt. Das Gepäck blockiert meinen Weg zum Frühstück. Wie wir das alles wieder in den Wagen kriegen sollen, weiß kein Mensch. Aber es wird gehen. Ferdinand „es muss eine Golftasche in den Porsche Kofferraum passen“ Porsche sei Dank. Und wirklich. Der 80 Liter Rimowa wird vom S genauso geschluckt, wie Säcke mit Ladegeräten, Kameras und Werkzeug. Bloß nichts vergessen, damit alles dokumentiert werden kann.

Leergesaugt in Belgien

Die Hinfahrt von Essen über Holland und Belgien nach Calais in Frankreich ist – man kann es nicht anders nennen – total unspannend. Autobahn ist nicht das Revier des S. Er will kurvige Highlandstraßen. Und die soll er kriegen. Vorher heißt es aber „tanken“, denn der 65 Liter Porsche Standard Tank wird vom angestrengt röhrenden 190 PS Boxer gepäckbedingt noch schneller leergesaugt, als üblich. 1,85 Euro möchte der freundliche Belgier für den Liter Super. Hätten wir mal vorher auf Frittenfett umgestellt, aber das sagt einem ja keiner.

Ich hatte einen Tee

Wir erreichen Calais und stellen uns mit hunderten olympiaflüchtigen Engländern in die gut organisierte P&O Schlange am Hafen. „I had a Tea“ informiert mich ein älterer Herr. Na super – ich könnte einen Café brauchen. Aber die Teeinformation bezieht sich auf den Elfer. Er hatte einen T. In den Siebzigern. Der ist ihm aber weggerostet. Das Klima in London you know. Ich kann mir das angesichts der damaligen Rostvorsorgemaßnahmen nur zu gut vorstellen.

Die Frau wird mittlerweile von einem jungen Familienvater angesprochen. Sein Bruder hat ein 68er Coupé, das er gerade restaurieren lässt. Er hat es bis vor Kurzem in Notting Hill als Alltagsfahrzeug genutzt. What else. Stil ist eben durch nichts zu ersetzen und die Engländer scheinen enthusiastische Porschefans zu sein. Ein guter Anfang.

DINGDINGDINGDING

In Dover angekommen beginnt die Frau ihre übliche England-Hypnose schon kurz nach Verlassen des Ships: „Links fahren“, „Links fahren“, „40“, „Links fahren“. Diese Hinweise sind für einen passionierten Schnellrechtsfahrer wie mich überlebenswichtig, denn die Umstellung auf links ist anfangs eine harte Sache. Doch plötzlich schallt es vom Beifahrersitz: „DINGDINGDINGDING!!!!!!“. Ich gehe voll in die Eisen, zerre den überladenen S in eine vier Meter breite Ausweichstelle und schaue aufgerissenen Auges meine Chefnavigatöse an. „Sollte heißen „ZU SCHNELL!!!““ – meint die Frau entschuldigend. „So macht das Tomtom doch auch immer!“. Mein Puls ist immer noch deutlich zu hoch. Ich bitte die Frau nicht mehr „DINGDINGDINGDING“ zu machen und auch ansonsten Geräusche zu unterlassen, die mich an elektronische Geräte erinnern. Ich hänge so an den letzten mir bleibenden Jahren.

Emissionsfrei durch London

„Links…,“ sagt die Frau. „…geradeaus ist emissionsfrei“. Ich filtere diese Information in den Ignoranzbereich meiner Lenksynapsen und fahre geradeaus. Denn auch das Tomtom sagt „fahren Sie weiter geradeaus“. Das Tomtom ist Baujahr 2002, Holländer und hat keine Ahnung von emissionsfreien Zonen. Also fahren wir durch die erfrischend leere Londoner Innenstadt und sehen Menschen auf dem Weg von den Paralympics sowie einige wenige Autos, die wie wir ebenfalls Emission-free fahren. Wir werden dabei von einem der besten Verkehrskamera-Systeme der Welt gefilmt. Smile! Das wird teuer. Aber vielleicht hatte ja einer der Verkehrs-Bobbys im Leitstand in den Siebzigern einen rostigen T. Die Hoffnung stirbt nie.

Clare

Unser B&B ist in Clare – einem zu Unrecht unbekannten Dorf in Suffolk, das aus einer beeindruckenden Parish Church sowie süßen Häuschen besteht, die alle Siebzehnhundertirgendwas gebaut wurden und in den darauffolgenden Jahren mehrfach architektonisch gewagte Anbauten erhalten haben. Wir haben im „Ship Stores“ gebucht und schlafen, wo früher die Kühe gewohnt haben, oder Schafe. Alles sehr niedlich und very british. Thank you. Zum Abendessen in den Pub gegenüber. Der hat einen Award für sein Essen und ihn verdient. Meine Fish & Chips sind absolut großartig und die vegetarische Stilton Pie der Frau hervorragend. Wer mal in Clare ist, sollte nicht am „Cock Inn“ vorbeiessen.

 

About the author

hansbahnhof

Unheilbarer Petrolhead seit 1966. Hat begonnen mit Vespa-Motorrollern und dann irgendwann mit Porsche weitergemacht.