„Nur 500 Männer werden ihn fahren“. So hieß es im Jahr 1972 herausfordernd in einer Porsche-Werbung für den brandneuen Porsche Carrera 2.7 RS. Wer den schnellsten Sportwagen Deutschlands heute mit so einem Spruch bewerben würde, hätte Alice Schwarzer, Greenpeace UND Hagen Rether auf dem Hals. Viel Spaß.
Damals hat das keinen gestört und Porsche musste zugunsten seines neuen Spitzenmodells ordentlich die Werbetrommel rühren. Es galt nämlich 500 Homologationsmodelle des RS an den Mann (Frau!) zu bringen, um den Wiedereinstieg in den Rennsport zu schaffen.
Der RS stand 1973 mit 210 PS aus 2.7 Litern nicht nur am oberen Ende dessen, was Porsche leistungsmäßig verkaufte. Der „Rennsport“ war auch der teuerste Elfer in der Preisliste. Das hatte seine Gründe. Gegenüber dem bishergien Topmodell, dem 911 2.4 S mit 190 PS bot der Carrera weniger Gewicht, mehr Hubraum (2.7) und ein Leistungsplus von sagenhaften 20 PS. Der neue Überporsche verfügte über zahlreiche Leichtbauteile, z.B. dünnere Bleche und natürlich über den ersten Heckspoiler an einem Serienfahrzeug. Das beeindruckte das Publikum nachhaltig und der Spoiler bekam ehrenhalber sogar einen Namen: „Entenbürzel“ nannten ihn die Deutschen und „Ducktail“ die Amis.
Und jetzt fahre ich RS
Tobias hat mich eingeladen, in seinem RS mitzufahren. Das 73er Coupé in weiß mit roten Carrera-Schriftzügen und Felgen begann seine Karriere bei einem Diskothekenbesitzer aus Aachen. Danach war er 35 Jahre lang im Besitz eines Sammlers aus Bonn. Zwischendurch durfte er auch Rennen fahren und wurde unter anderem in Goodwood von Jürgen Barth bewegt. Auch wegen dieser dokumentierten Geschichte habe er den Wagen gekauft, meint der stolze Eigentümer. Denn echte RS gibt es bekanntermaßen drei mal so viele, wie in den Siebzigern gebaut wurden.
Video und Interview Carrera 2.7 RS
Tobias Auto hat eine Buchhalterausstattung wobei ein RS-Käufer auch relativ wenig sinnvolles Werkszubehör hinzuerwerben konnte. Nebelscheinwerfer und Schiebedach wurden damals auf Wunsch des Eigentümers vom Werk verbaut. Das eine für die Sicherheit und den coolen Auftritt, das andere wahrscheinlich eher, um den Zigarettenrauch besser aus dem Wagen zu kriegen. Ich sage nur „Diskothekenbesitzer“ und „1973“. Licht aus. Spot an.
Der Carrera ist in einem tollen Zustand. Das Fahrwerk straff, Lenkung und Schaltung spielfrei. Als er mir die Schlüssel in die Hand drückt, zögere ich natürlich. Wenn ich den kaputtfahre, zahle ich ab bis ans Ende meiner Tage. Doch nach den ersten Metern fühlt sich alles an, wie in meinem 72er 911 S. Wie auf Schienen zieht der 2.7 Liter-Motor den rot-weißen über die ländlichen Straßen bei Hagen. „Tolles Auto“, ruft uns ein BMW-Cabrio Fahrer zu und der Fahrer eines anderen F-Modells winkt. Hat Tobias Angst um sein Auto? „Wenn mich einer fragt“, meint Tobias, „sage ich immer, dass das ein Replika ist.“ Sicher ist sicher.