Oldtimerhotels sprießen nicht erst seit der gleichnamigen Sonderbeilage der „Oldtimer-Markt“ (Ausgabe 7-2014) aus der Erde wie Pilze. Auf der Suche nach einer begüterten Kundschaft bieten sie … ja was eigentlich genau? Mein subjektiver Eindruck: Oft hat der Chef einen „Oldtimer“ oder hätte gern einen oder hat mal von jemandem gehört, der gern einen hätte. Im besten Fall gibt es einen sicheren Parkplatz, manchmal auch Leih-Oldtimer für Oldtimer-Wannabees. Aber reicht das schon, um ein richtiges „Oldtimerhotel“ zu sein?
Nee
Ein richtiges Oldtimer- oder Youngtimerhotel sollte mehr bieten, als eine Porsche 356 Speedster Replica zum Ausleihen, oder? Ein richtiges, echtes, ernstzunehmendes Hotel für Liebhaber klassischer Fahrzeuge ist höchstselbst ein Old- oder Youngtimer. Und davon gibt es in Deutschland nach meiner Kenntnis nur eins: Das „Parkhotel 1970“ im Odenwald.
Hallenbad für eine D-Mark
Blenden wir zurück: Der Odenwald in den sechziger Jahren. Familie Deitrich betreibt eine alteingesessene Metzgerei in Michelstadt-Vielbrunn. Der Laden läuft, denn Deitrich senior ist bekannt für gute Qualität. Es gilt also, das mit Filets und Schweinebraten verdiente Geld sinnvoll zu investieren.
Die Deitrichs beginnen ihr Landgasthaus zum Hotel auszubauen. Die Resonanz ist riesig und die Familie kauft immer mehr Land hinzu. Für Parkplätze und für Hotelanbauten und später sogar für einen Golfplatz. 1970 besitzt die Familie eines der modernsten Hotels im Odenwald. Ein Hotel, das sich den Luxus eines eigenen Hallenbades leistet. Sowas ist zu dieser Zeit einzigartig in der Gegend und das Deitrich´sche Bad erhält regen Zulauf. Auch wer kein Hotelgast ist, kann hier für eine läppische D-Mark jederzeit überdacht baden.

Hallenbad im Parkhotel 1970 (Michelstadt-Vielbrunn) – hier kostete hallenbaden 1970 noch eine D-Mark
Das Angebot kommt großartig an im Odenwald der Siebziger. Und wer nicht schwimmen kann, so erinnert sich Ottilie Deitrich schmunzelnd, stand halt „im Flachen“ und genoss bunte Drinks vom hoteleigenen Barkeeper.
Für alle Gäste gab es darüber hinaus eine Top-Küche mit Leckereien aus der Metzgerei sowie einen Fernsehraum. Goldene Zeiten. Zuletzt bringt es das Parkhotel auf 100 Betten. Eine echte Ansage in der Gegend.
Die James Last-Suite
Sogar eine VIP-Suite gibt es bei Deitrichs. In deren Interieur verbindet sich Seventies-Space-Design und Eiche Rustikal zu einem aufsehenerregenden innenarchitektonischen Gesamtkonzept. Licht aus. Spot an.

Das Bett des Meisters. Hier hat er sich von seinen Touren erholt. James Last. Man beachte die Fernsteuerelemente am Bett. Radio natürlich integriert.
Soviel Seventies-Style zieht Seventies-Stars an. Zum Beispiel Bandleaderlegende James Last, der schnell Stammgast wird und zwischen seinen Konzerten ausgerechnet im abgelegenen Michelstadt-Vielbrunn Ruhe vor dem Starrummel um seine Person sucht.
Das Ende einer Ära
Das Hotel wird 1991 geschlossen. Doch anstatt die Siebzigerjahre-Einrichtung wegzuwerfen, motten die Deitrichs das Hotel komplett ein. In der Folge wird alles regelmäßig gereinigt und nur die kleine Ann-Katrin darf mit hoheitlicher Erlaubnis von Oma und Opa im ehemaligen Hotel Hotel spielen. Immer entdeckt sie dabei neue Räume und versteckte Geheimnisse – vielleicht entdeckt sie in der Zeit auch ihre Liebe zu den Siebzigern.

Ein Bett im Bungalow im Jahr 1970. Oder doch im Jahr 2014? So genau können wir uns jetzt auch nicht mehr erinnern.
Wiederauferstehung als „Parkhotel 1970“
Mehr als 20 Jahre später erbt Ann-Katrin das Parkhotel und fragt sich, „Was tun?“ Denn der riesige Komplex aus unterschiedlichen Gebäuden ist Stand 1970. Ein Relikt in Braun-Orange. Abreißen?
„Nö“, denkt sich Ann-Katrin Thimm und beginnt den Hotel-Oldtimer der Großeltern zu überholen. Alles wird gründlich gereinigt, repariert und in wenigen notwendigen Teilen auf den Stand des neuen Jahrtausends gebracht. Der siebziger Jahre-Charme jedoch bleibt erhalten und das Parkhotel erhält einen passenden neuen Namen: „Parkhotel 1970“.
Willkommen zurück in der Vergangenheit
Wir mussten uns das einfach mal live anschauen und haben zwei Nächte bei Ann-Katrin und ihrem Team verbracht. Wir haben uns dabei sehr wohl gefühlt. Nicht nur wegen des ungewöhnlichen Ambientes, sondern hauptsächlich, weil das Parkhotel geblieben ist, was es wohl auch früher war. Ein bezahlbares, gemütliches Hotel mit herzlichem Empfang, einem exzellenten Frühstück, einer charmanten Eigentümerin plus ebenso charmantem Hotelhund.

Bill Bo – nicht zu verwechseln mit dem miesen Hobbit – ist nicht etwa ein Relikt aus der 70er Jahre Flokati-Produktion. Er ist ein Bolonka Zwetna – auf Deutsch etwa: „Freundlich Grinsendes Cashmereweiches Fellknäuel“
Dass ganz nebenbei der Parkplatz groß und sicher ist und Michelstadt-Vielbrunn eh eine „Low Crime-Area“ sein dürfte, machte den Aufenthalt mit dem 65er Porsche noch etwas entspannter. Schade nur, dass wir die Badehose vergessen hatten. Denn das Hallenbad im Parkhotel 1970 ist nicht nur Verzierung.

Nehmen Sie Platz. Haben Sie schon die neue Hörzu gelesen? Das Frühstück ist übrigens ganz ausgezeichnet!
Wer eine Clubausfahrt oder ein Wochenende mit Oldtimerfreunden plant, ist im Parkhotel 1970 genau richtig. Denn neben dem Parkhotel bietet der Odenwald tolle Strecken, die mit einer ausreichenden Menge hinreißender Kurven ausgestattet sind. Auf die überall montierten Blitzer in den umgebenden Dörfern sollte man aber achtgeben. Die gab es 1970 natürlich noch nicht.
Video „Parkhotel 1970“
Ein Video zum Hotel und zu unserer Tour mit dem Porsche 911 Forum „Elferteam“ findet Ihr auf Teil der Maschine im Artikel „Alle bekloppt. Mit dem Elferteam im Parkhotel 1970 (Video)„.
Kontakt
Parkhotel 1970
http://www.parkhotel-1970.de
Ohrnbachtalstraße 7
64720 Michelstadt-Vielbrunn
Telefon: 0 60 66 / 96 97 996
Telefax: 0 60 66 / 248
E-Mail: info@parkhotel-1970.de
Hinweis
Die Frau und ich haben unsere Zeche im Parkhotel 1970 selbst bezahlt und sind nicht eingeladen worden. Dieser Artikel ist allerdings stark positiv beeinflusst vom Kuscheln mit Bill Bo.
Da bereise ich jetzt schon seit vielen Jahren meine Odenwald Heimat mit diversen Zuffenhausener Produkten, immer auf der Suche nach der besten (der ca. 100.000) Kurven, und bin schon gefühlte 1000 mal durch Vielbrunn gefahren, meist um noch einmal ins Tal zu fallen, und noch einmal zurück zum Limes, bevor es zurück geht über das Römerbad, oder Mudau, oder Hesseneck oder Hetzbach oder die Tromm oder… Und habe noch NIE von diesem Juwel etwas gehört. Das wird sich nach diesem Bericht und dem Video sicher ändern. Badehose und eine Mark werde ich dabei haben.
Danke für den grandiosen Bericht und Tipp !
Die Mark wird jetzt heute nicht mehr reichen, aber Frau Thimm machte nicht den Eindruck, als würde sie keinen Spaß verstehen. Also einfach ausprobieren mit der Mark 😉 – und viel Spaß im Hotel – am besten mit guten Freunden und deren Zuffenhausener Produkten.
Habe in dem Bericht den Teil der Kantine vermisst… sonst alles großartig! In Ermangelung eines Porsche Old- oder Youngtimers entsende ich einen Freund mit pornoblau beledertem 79er Turbo zum Testschlaf in die James-Last-Suite.
Besten Dank für den Erfahrungsbericht,
Carpe viam
Pornoblau dürfte ganz gut passen. Man darf da aber auch ohne Young- oder Oldtimer hin. Einfach ausprobieren. Lohnt auch so und wegen des Frühstücks….
Klasse Beitrag…da muss ich hin.
Grüsse und danke!
Andreas
… war wirklich nett da. Nicht nur wegen des Siebzigerjahre Flairs – sonst hätte ich auch nicht so breit berichtet…