Es ist D-Day – oder anders gesagt „Abholtag“. Es ist der 1. Mai 2013.
Und während sich europaweit tausende Porschefans auf den Weg machen, um sich auf einer staubigen Pferderennbahn in Dinslaken zu treffen, haben wir einen wichtigeren Termin. Und zwar in Holland.
Die Wetterprognose steht auf „super“ und ich entschließe mich zu einer spontanen, aber mächtig bescheuerten Aktion. Der 1965er Porsche 911 wird mit dem 1972er 911 S Targa in Holland abgeholt. Die 400 km extra werden dem S gut tun und wir sind mit Stil unterwegs.
Die Frau darf fahren, ich filme und der S reißt Kilometer um Kilometer ab als hätte es keinen Winter gegeben. Wir kommen an Dinslaken vorbei. Das Porschetreffen hat noch gar nicht begonnen. Lediglich einige Sprinter mit einschlägiger Porsche-Beschriftung überholen uns.
Frans ist da
Pünktlich um 10.30 Uhr sind wir in Holland. Hier betreibt der Spediteur eine Art Massenauslieferungslager für Oldtimer aus den USA. Wir treffen uns mit Frans, dem verlässlichen Holländer, von dem ich den Tipp mit der Spedition hatte und von dem meine schönen Pepita-Recaros für den 911 S stammen. Schön, wenn sich eine deutsch-niederländische Freundschaft auf Porscheebene schon nach einer einzigen gemeinsamen Transaktion manifestiert. Wir freuen uns jedenfalls, uns wiederzusehen und Frans ist neugierig auf dem Amerikaimport. Er restauriert gerade einen 67er S Sportomatic.
Im Büro erledigt eine attraktive Holländerin in fließendem Englisch die letzten Formalitäten. Ich zahle den Gegenwert eines gebrauchten Kleinwagens für Import, Handling und Zoll und werde dann gebeten, mein Fahrzeug auf dem Werksgelände entgegenzunehmen.

Welche Farbe hätten Sie denn gern? Porsche F-Modelle und G-Modelle im Porsche-Bereich des Speditionsgeländes
Das Gelände ist beeindruckend. Auto neben Auto. Oldtimer neben Oldtimer. Schön geordnet nach Marken. Dreißig Mustangs. Zwanzig Porsches. Etliche US-Trucks aus den Fünfzigern und Sechzigern sowie diverse andere Schätzchen warten draußen auf ihre Eigentümer.
Gabelstaplerman und der schmutzigste Porsche der Welt
Hier herrscht am 1. Mai geschäftiges Treiben. Ein 914er wird gerade vom Käufer gecheckt, direkt nebenan schließt ein Importprofi ein Mercedes Coupé aus den Siebzigern an eine Riesenbatterie an. Die Autos sehen alle anständig aus. Müll kauft wohl keiner mehr in den USA.
Dann kommt ein Gabelstapler aus der Halle gefahren. Er schleift einen wirklich heruntergekommen aussehenden Porsche 911 hinter sich her. Die weiße Farbe des frühen Elfers ist unter einer dicken Schicht von Schmutz versteckt. Wer hat denn die dreckige Kiste gekauft? Fährt nicht mal – muss geschleppt werden – pah – Anfänger!
Der Gabelstapler hält neben mir und der Fahrer sieht mich durchdringend an. Ganz offensichtlich ist Gabelstaplerfahren nur seine Nebenbeschäftigung. Im Hauptberuf arbeitet er in einer dieser Wrestlingshows und gewinnt seine Kämpfe durch „Auf-den-Gegner-Draufsetzen“: „Is your car?“, fragt Gabelstaplerman. Ich bin verwirrt. Nein, ich hatte einen seltenen und von Außeneinflüssen unbelästigten 1965er Porsche 911 bestellt, der in einem teuren geschlossenen Trailer und pieksauber in der Nähe von Chicago abgeholt wurde. Gabelstaplerman schaut verständnisfrei.
Ich gucke noch mal hin. Unter der fettigen Schicht aus schmierigem Staub sehe ich ein mattes goldenes „911“ Schild leuchten. „Yes“ – japse ich.
„Car doesn´t run“
„Car doesn´t run – there is a big battery over there for starting!“, informiert mich Gabelstaplerman über den Grund der unwürdigen Transportmethode.
Wir holen die auf einem plumpen Karren befestigte Riesenbatterie während der Gabelstapler meinen Elfer sanft auf den Asphalt ablässt. Die Kofferhaube ist geöffnet. Offensichtlich hat man vergeblich versucht, den 65er zu starten.
Meine erste Runde um meinen neuen alten Porsche ist ernüchternd. Eine solche Schmutzschicht kenne ich nur von Autos, die zurecht am Straßenrand parken und eine behördliche Aufforderung zur Beseitigung des Müllhaufens an der Scheibe pappen haben. Unter dem schmierigen Dreck sieht der Wagen zum Glück bei näherer Betrachtung ok aus.
Am Porsche lecken
Die Frau wischt mit dem Finger über den Dreck und leckt vorsichtig. „Salz“, konstatiert sie mit der Kennermiene einer erfahrenen Restaurantverreißerin, „sieht nur aus wie Dreck – aber das meiste ist Salz“.
„Na ein Glück…“, denke ich, „… ist gar kein Dreck!“
Vorsichtig öffne ich die Tür. Im Innenraum ist außer einigen Dreckspritzern an der Innenverkleidung und einer nicht mehr vorhandenen Fensterkurbelabdeckung alles in Ordnung.
Die Ersatzteile – meine größte Sorge – scheinen komplett zu sein. Auch im Kofferraum erkenne ich Jerrys Packsystem wieder. Alles säuberlich verpackt in Pappkartons und beschriftet mit verheißungsvollen Aufschriften. Im Fußraum des Beifahrers steht eine ganze Umzugskiste mit Büchern und anderer Literatur. Alles da.
Ich wische vorsichtig über das Mahagoni-Lenkrad. Hier war ein Meister am Werk. Eine satte Klarlackschicht deckt feinstes Edelholz. So schön werden Lenkräder nur von Guitarrenbauern restauriert. Jetzt kribbelt es doch ein bißchen im Bauch.
Mein Auto lebt
Der Wagen gibt beim Umdrehen des Schlüssels keinen Mucks von sich. Doch die Riesenbatterie des Spediteurs schafft Abhilfe. Frans befestigt die Krokodilklemmen und ich starte. Nach einer Unendlichkeit gibt der Motor die ersten Geräusche von sich. Und nach einigen heftigen Gasstößen läuft die Maschine mit leicht erhöhtem Leerlauf – aber rund. Mein Auto lebt.
Jetzt noch schnell die hart erkämpften Kurzzeitkennzeichen anschrauben. Ich habe an alles gedacht. Schrauben, Unterlegschreiben, Muttern: Nur nicht daran, dass man in Amerika an der vorderen Stoßstange oft gar keine Kennzeichen befestigt. „Land of the Free“, denke ich eingedenk meiner letzten Radarfallenfotos.
Die Frau hat die Lösung: „Einfach hinter die Windschutzscheibe klemmen. Muss reichen.“ Reicht auch. Und das hintere Schild ist schließlich bombenfest verschraubt. Da kann sich keiner beschweren.
Es kann losgehen. Aber vorher feiern wir noch mit Frans in einem lokalen Restaurationseinrichtung. Es gibt (was sonst) Pommes mit Fleischspießen und Erdnusssauce. Wenn die Holländer nicht so viel Rad fahren würden, sähen sie alle aus wie Gabelstaplerman.
Frans greift in seine Tasche. Er hat noch was für mich. Einen „Hazard Switch“ für den 65er. Denn ohne Warnblink keine deutsche Zulassung. Der Hazard Switch verschwindet in meinem Fotorucksack und Frans steckt ein paar Scheine ein.
Byebye Holland. Es kann nach Hause gehen!
Ich hofe du bist gut nach Hause gekommen……dein Bericht ist köstlich 🙂
Gruss
Michi
Hallo Michi, – bin ich – Danke der Nachfrage – aber auf vier Zylindern – dazu mehr in einem der nächsten Blogposts. Die Geschichte ist noch nicht zu Ende…