Gastbeitrag Marktsituation

#Porschemüde – Aus der Porsche 964 Jubi-Perspektive

Written by hansbahnhof

Mein erster „Podcast“ „#Porschemüde – Die Kehrseite des Oldtimerbooms“ hat am vergangenen Sonntag zusammen mit dem Kurzbericht über den McQueen Turbo den Besucherrekord bei TDM pulverisiert. Über 1.600 Besucher wollten wissen, weshalb zum Teufel ich #porschemüde bin. Es gab außerdem zahlreiche Mails, Kommentare unter dem #Porschemüde-Post sowie umfangreiche Diskussionen in Porsche-Foren. Das Thema scheint bei vielen den Nerv getroffen zu haben.

Die umfangreichste Reaktion kam von Thomas Englert aus Essen. Der geborene Gladbecker ist seit 1985 mit dem Porsche-Virus infiziert und fährt seit 1998 seinen Traumporsche, ein Porsche Jubiläumsmodell „30 Jahre Porsche“ mit der Nummer #105. „Nebenbei“ betreut Thomas das Jubi-Register, in dem viele Exemplare des seltenen Jubiläums-Porsches registriert sind. Hier ist Thomas´ Jubi-Version von #porschemüde.

Hallo Ansgar,

ich glaube Du hast mich geweckt!
Das Thema „Porschemüde“ finde ich sehr interessant. Man kann dazu soooo vieles sagen, denn das Thema hat sooooo viele Facetten, die man hier letztendlich gar nicht alle beackern kann. Einen kleinen Beitrag würde ich trotzdem gerne leisten.

Ein Teil der Müdigkeit, die Du beschreibst, entsteht m. E. dadurch, dass mittlerweile die Vielzahl der Veranstaltungen, Treffen, Stammtische und Ausfahrten nahezu erschlagend wirkt. Hat man sich früher einige wenige „Events“ im Kalender markieren können und wirklich darauf gefreut, so hat man heutzutage schon fast nicht mehr genug Platz im Tabellenblatt um alle mehr oder minder Genuss versprechende Veranstaltungen zu notieren. Fährt man dann zu einer dieser Veranstaltungen, hat man das Gefühl alles schon mal gesehen und erlebt zu haben. Neu und wirklich aufregendes zu finden fällt schwer. Da rettet auch der eine oder andere Stargast meistens nichts mehr. Was macht man also? Man pickt Rosinen!

Darüber hinaus erlebe ich das Gefühl, dass alle Themen die man so an Stammtischen auf Facebook oder in Foren bespricht, irgendwie schon mal da gewesen sind. Es gibt einfach nichts Neues mehr. Jedenfalls wenn man sich in luftgekühlten Kreisen bewegt. Selbst der Scheunenfund des unglaublich seltenen „x“-Modells regt da niemanden mehr wirklich auf, denn man weiß, dass es nur ein paar Tage dauern wird, bis die nächste Sensation, die am Ende nicht wirklich eine ist, ans Tageslicht kommt.

Müsste man sich gar am Ende vielleicht sogar noch mit wassergekühlten Porsche beschäftigen, um neue Erlebnisse zu haben? Eine grauenhafte Vorstellung! Obwohl, die Tendenzen in den Clubs und Foren zeigt, der Zweitporsche fährt auf Wasserbasis und der Lufti bleibt lieber zu Hause.

Was macht noch müde? Die unglaublichen Ersatzteilpreise, die Du beschrieben hast? Kann sein. Früher, ja früher hat man sich darüber noch aufgeregt. Mittlerweile nimmt man es nur noch hin. Ich würde diese Reaktion weniger als Müdigkeit sondern eher als Phlegmatismus beschreiben.
Obwohl … noch mal zurück zum Abschnitt davor. Etwas hat sich an den Gesprächen, die man an den Stammtischen führt, doch geändert. Redete man noch vor wenigen Jahren vorwiegend über technische Probleme und deren Lösungen, über Erlebnisse und Reisen die man mit dem Porsche gemacht hat, oder eben doch über die hohen Ersatzteilpreise, so redet man heute über Werte, den Angst vor Diebstahl und über Probleme mit der Versicherung, die das eine oder andere Fahrzeug ob des gestiegenen Wertes nicht mehr versichern möchte.

Thomas und der Jubi-Porsche. Ein wenig #porschmüde. Aber nur ein wenig.

Thomas und der Jubi-Porsche. Ein wenig #porschemüde. Aber nur ein wenig.

Nicht zu vergessen auch: Die Fahrzeugpflege! Sonax, A1 und der Do-It-Yourself-Day sind out. Heute muss der Profi ran. Aber wer ist der Richtige? Das kann halt nicht jeder und da muss man auch schon mal ein paar hundert Kilometer fahren, oder den Porsche am besten holen und bringen lassen. Im geschlossenen Hänger, versteht sich! Schließlich lohnt sich die Investition ja und am Ende ist vielleicht sogar ein Concours-Sieg drin?! Das würde ja den Wert noch einmal steigern!

Genoss man früher die Fahrt im geliebten Schätzchen, so sitzt man heute, wenn man denn überhaupt fährt, angespannt hinter dem Volant oder im Café nebenan – Du weißt schon. Das Café mit dem großen Parkplatz auf dem man seinen Porsche auf zwei Stellflächen ganz an der Seite parken kann und ihn trotzdem noch im Blick hat – und hofft dass nichts passiert. Jeder Steinschlag, jeder Kratzer zählt. Und zwar im Minus!

Ein Horror ist da der nächste Werkstattaufenthalt oder gar ein Reifenwechsel. Die Felgen wurden ja erst letztes Jahr neu lackiert, was wenn jetzt ein Kratzer…? Und überhaupt, in der Werkstatt kann ja „jeder“ an das gute Stück heran…. Mann, Mann, Mann. Wie löst man dieses Problem…?

Ich stelle gerade fest, so langweilig ist es ja doch nicht. Und müde macht das auch nicht gerade. Eher im Gegenteil. Das macht eher Sorgen. Sorgen um mein eigenes Schätzchen und sorgen um die Veränderungen in der Szene, wenn es man sie denn als solche bezeichnen will. Denn die eine Szene ist es wohl nicht mehr. Vielmehr scheint sich das Ganze in verschiedene Interessensgruppen zu splitten. Und mancher sieht sich daher neuerdings mit der Frage konfrontiert, in welches Lager er denn selbst nun gehört oder gehören möchte. Ist er noch bei den Enthusiasten oder gehört er doch eher zu den Renditeorientierten? Kann man beides leben?

Und diese Veränderungen, die spüre ich persönlich noch einmal in einer zusätzlichen Weise. Seit vielen Jahre pflege ich das Jubi-Register und kümmere mich um die 964 Jubi IG (www.jubi.pocg.de). Früher meldeten sich bei mir viele leidenschaftliche Enthusiasten, die einen Jubi hatten oder einen suchten. Warum hatten oder suchten sie einen? Weil sie diesen Porsche schön fanden, von seiner Form und Farbgebung begeistert waren. Diese Leidenschaft wollten sie mit anderen teilen, wenn sie schon einen hatten und künftig mit anderen teilen, wenn sie noch auf der Suche waren.

Über Jahre hinweg hatte ich immer eine lange Liste von Menschen die einen Jubi suchten und brachte sie in Kontakt mit Mitgliedern der IG deren Leidenschaft verblasst war oder die sich aus anderen Gründen von ihrem Jubi trennen wollten oder mussten. Viele Besitzerwechsel sind so zu Stande gekommen, ohne dass man die einschlägigen Plattformen benutzen musste und sich die Frage nach dem „was iss letzte Preis Kollega?“ anhören musste.

Gerne habe ich in dieser Zeit diesen netten Leuten geholfen und war immer froh über neue Mitglieder in unserer kleinen, internationalen Gemeinschaft. Das Register wuchs schnell, die 964 Jubi IG auch. Und dann kamen die Jahre 2013 und 2014. Waren bis dato die durchschnittlichen Verkaufspreise in meiner Statistik jährlich maximal um ein paar Tausender gestiegen, so machten sie in diesen Jahren erst einen kleinen Satz und dann einen großen Sprung. Nachzulesen hier: http://jubi.pocg.de/pages/de/verkauf-service.php.

Und mit den gestiegenen Preisen bzw. Werten, änderte sich für mich bzw. das Jubi Register und die Jubi IG einiges mehr. Meine Liste der „Jubi-Suchenden“ ist kürzer geworden. Viel kürzer! Menschen die einen guten sechsstelligen Betrag für einen „Käfer-Sport“ ausgeben wollen, outen sich nicht gerne. Sie wenden sich lieber an Händler, die mich dann wiederum kontaktieren, und bleiben selbst im Hintergrund.

Diese Menschen schließen sich nach einem Kauf auch nicht einer Jubi IG an. Und wenn sich so ein Mensch den ich meine (Nicht alle sind so, das sage ich ausdrücklich!) dann doch mal direkt an mich wendet, dann kommt die Mail meist nicht von ihm selbst sondern von seiner Sekretärin. Nach dem Motto: „Herr Dr. … oder Herr Vorstand … ist an dem Erwerb interessiert…. wenn Sie vermitteln wird Ihr Aufwand…. aber bitte schnell und nur ein Fahrzeug mit exzellenten Daten und Wertsteigerungspotential…“

Ist das die Welt von heute? Ist das die Zukunft? Wo bitte sind die leidenschaftlichen Enthusiasten geblieben? Haben sie gar die Marke gewechselt und suchen sie heute auf erschwinglicheren Pfaden nach dem Weg zum Glück?

Zumindest stelle ich fest, dass es schwerer geworden ist, diese Fahrzeuge, also die mit den guten Eckdaten, weiter im Auge zu behalten. Sie stehen zwischenzeitlich häufiger in Sammlungen und werden nur noch von ganz bestimmten Händlern und hinter den Kulissen innerhalb eines festen Kundenstammes getauscht oder verkauft. Das ist schade, denn ich hoffte möglichst viele der 896 gebauten Jubis zu finden. 599 habe ich heute im Register. Ich bin gespannt wie weit ich unter diesen Umständen noch komme.

Schrieb ich gerade „ich bin gespannt“? Nun, dann bin ich wohl doch nicht so Porschemüde! Oder doch? Ehrlich gesagt, ich weiß es nicht genau. Manches langweilt mich nach so vielen Jahren im Thema, manches regt mich auf und ehrlich gesagt, manches ekelt mich wirklich an. Nicht das es mir den Schlaf raubt, wenn ich dann doch mal (Porsche-)müde bin, aber froh bin ich über die neusten Entwicklungen an der Preisfront auch nicht gerade. Egal ob an der Ersatzteiltheke im örtlichen PZ oder beim Blick auf die Onlinepräsenz von Autobörsen.

Können, sollen, müssen wir etwas gegen diese Entwicklung tun? Ich denke wir „noch immer Verrückten“ sollten uns unsere Unschuld bewahren, weiter das Leben mit und um unsere Porsche genießen und uns ihrer und unserer Erlebnisse mit ihnen erfreuen. Die Welt um uns herum sollten wir zu Kenntnis nehmen, wie auch die Ersatzteilpreise (!) und das Beste daraus machen. Ich persönlich fühle mich nicht als Teil des Geldvermehrungsprozesses, obwohl ich irgendwie mitten drin bin. Ich sehe mich vielmehr als aktiver und kritischer Beobachter. Und wenn ich die Gelegenheit habe, so wie hier bei Dir Lieber Ansgar, denn sende ich auch gerne mal eine Botschaft in die Welt: Leute, werdet nicht Porschemüde! Bleibt wach, haltet durch und sucht Euch Gleichgesinnte! Gemeinsam sind wir stark und werden den wahren Porschevirus weiter in die Zukunft tragen! Wir werden nicht müde werden. Die Spekulanten werden es aber sicher irgendwann. Und wenn sie weg sind, dann sind wir immer noch da! Zu pathetisch? Sei es drum. Bin halt so!

Glück Auf!

Gruß Thomas

Text: Thomas Englert
Fotos: Mit freundlicher Genehmigung von Thorsten Doerk – http://www.fuenf-d.com
Die Fotos stammen aus dem Buch „911 Love“ (Delius Klasing Verlag)
http://www.delius-klasing.de/buecher/911+Love.159665.html

About the author

hansbahnhof

Unheilbarer Petrolhead seit 1966. Hat begonnen mit Vespa-Motorrollern und dann irgendwann mit Porsche weitergemacht.

3 Comments

  • Sehr schöner Beitrag, lieber Thomas. Du sprichst mir (ebenfalls) aus der Seele. Ich denke es gibt nach wie vor genügend Enthusiasten, Schrauber und „Verrückte“ unter uns, so dass der Spaß an dem Thema eigentlich nicht verloren gehen dürfte.

    Sonnige Grüße aus dem Norden

    Didi

  • Ich bin bin müde von der ständigen, permanenten Wertsteigerungsdiskussion.
    Leute fahren weniger, sondern setzen sich mit dem aktuellen ClassicDataGutachten ins Auto und die Scheiben beschlagen
    Alte Herren müssen plötzlich unbedingt einen Boxster Spyder haben, nicht weil
    das ein schönes Auto ist, sondern der Umstand, dass es plötzlich nur noch wenige bis keine Modelle mehr zu ordern gibt, lässt sie in einer schon fast peinlich devoten Haltung die PZ abhecheln um dann stolz zu verkünden…ich hab
    noch eine Quote im PZ Nordpol bekommen und sogar 1,5% Nachlass erhalten.
    Mit Porschefahren hat das jedenfalls für mich nix mehr zu tun…

    • Laß Sie doch. In 5-10 Jahren gibts wieder viele schöne Autos mit lustigem Wartungsstau, wenn die „Investoren“ merken, dass der Unterhalt ordentlich Kohle kostet und zwar richtig…

      Und bei der Qualität und Stückzahl der aktuellen Premiumprodukte aus Zuffenhausen (und der nicht vorhandenen Kundenorientierung dieser Marketingagentur mit angeschlossener Luxuswagenproduktion): Da kippt jede Renditehoffnung sehr, sehr schnell. Einfach warten bis die Kisten mal 5 Jahre oder älter werden und dann nach und nach auseinanderfallen…

      Andererseits: Wenn sich durch eine solche rollende Luis Vuitton-Handtasche der eine oder andere ältere Herr wieder jung und toll fühlt? Ist doch auch schön…

      Gruß
      Uli

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