Marktsituation Messen und Treffen

Techno Classica 2012 in Essen – Oldtimer-Porsche Vielfalt – Report

Written by hansbahnhof

Die Techno Classica 2012 war einmal mehr die größte, schönste und besuchteste Messe für klassische Fahrzeuge weltweit. Bei strahlendem Frühlingswetter bot die Messe Essen eine prächtige Plattform für 2500 zum Verkauf stehende Klassiker und einen tollen Überblick über den europäischen Oldtimer-Markt.

[one_half]Den Videoblog zur Techno Classica mit dem Schwerpunkt „Porsche F-Modelle“ findet Ihr hier.[/one_half] [one_half_last][button link=“http://www.teil-der-maschine.de/?p=1663″ size=“medium“ variation=“red“]Videoblog zur Techno Classica 2012[/button]
[/one_half_last] Garagengoldkäufer – Porsche 911 Oldtimer im Visier
Doch den typischen Techno Classica Besucher gibt es 2012 nicht mehr. Viele der neu hinzugekommenen Besuchergruppen kennen Öl maximal von ihrem Landsitz in der Toskana und in Extra-vergine Flaschen. Sie sind auch optisch mit Armani-Kordhose, Tweed-Jacket und Hilfiger-Pullover vom klassischen Schrauber sofort zu unterscheiden. Jedem seinen Turm, wie der Franzose sagt.

Besser als neu – Suchen Sie sich eine Farbe aus!
Die neue Klientel fällt nicht nur auf. Sie sorgt für einen sichtbaren Wandel unter den angebotenen Fahrzeugen. Die 2012 offerierten klassischen Porsche 911 haben eine völlig andere Qualität, als noch vor ein paar Jahren. Hochglanzrestaurierungen „besser als neu“ sind bei Preisen von bald 90.000,– Euro für einen Porsche 911 S nicht nur wirtschaftlich lukrativ, sie stehen in der Gunst der Käufer auch ganz oben. „Die kaufen keine patinierten Autos. Die kaufen ein Auto direkt zusammen mit der Vollrestauration“, so ein Händler, der sich gleichzeitig wehmütig an die guten alten Zeiten vor ein paar Jahren zurückerinnert: „Da kamen noch Käufer, die auch mal selber den Schraubenschlüssel in die Hand genommen haben“. Eine Wehmut, die man angesichts der bonbonfarbenen Porsche F-Modell-Massen teilen kann. Viele dieser Autos werden nach der Messe in geheizten Garagen ein Schneewittchen-Dasein führen. Ungefahren, unverstanden und zum Wochenend-Eisdielen-Taxi degradiert. Schade. Noch trauriger: Der „besser als neu“-Hype führt dazu, dass wertvolle Zeitzeugen für immer von der Bildfläche verschwinden. Autos, die gelebt haben und ihre Macken mit Stolz tragen. Autos, denen man ihr Alter ansieht und ihre Geschichte.

F-Modell Porsche auf Flügeltürer-Pfaden
Wohin die Restauriereritis führt, sieht man beim Mercedes 300 SL Flügeltürer. Nach einer kollektiven jahrzehntelangen Top-Restaurierung der geflügelten Gesamtproduktion gilt beim „Gullwing“ schon ein Zustand „2“ als patiniert. Und wenn man mal einen Originalen sehen möchte, muss man sich an die wenigen szenebekannten Exemplare halten, die in verständnisvollen Liebhaberhänden unrestauriert in Ehren alt werden durften. Die Ähnlichkeiten zwischen 911 und 300 SL sind übrigens groß. Es sind beides Kultautos mit sportlichen Wurzeln, die in eher kleiner Stückzahl hergestellt wurden. Einziger Unterschied: Der 911er ist zwanzig Jahre später zum begehrten Oldtimer gereift. Es bleibt also zu hoffen, dass der Trend zum Originalzustand beim Garagengoldkäufer ankommt, bevor sämtliche F-Modelle bis 1973 endgültig auf Pebble-Beach-Standard hochrestauriert werden.

Preissituation Porsche 911 F-Modelle: T und E ziehen nach
Insgesamt lässt sich feststellen, dass die auf der Techno Classica offerierten T und E-Modelle preislich nachziehen. Kein Wunder, denn der Aufwand für die Restaurierung von T und E ist derselbe, ein großer Preissprung zum S ist eigentlich nicht gerechtfertigt. Die Preise für 911 S in den begehrten 2.2er und 2.4er Versionen haben bei einem Drittel der Techno Classica Händlern die 90.000 Euro Grenze noch nicht überschritten.  Ausnahmen betreffen einige aus meiner Sicht überrestaurierte Fahrzeuge, die fotodokumentiert und rundumgeliftet die 100.000er Grenze durchbrechen, sowie einige der seltenenen original erhaltene Exemplare, die langsam aber sicher eine höhere Wertschätzung erfahren. Letztere sind natürlich an den Fingern einer halben Hand abzählbar. Auch auf einer Messe mit einem Porsche-Massenangebot wie der Techno Classica.

Gefälschte 911 S?
Das Angebot an 911 S war übrigens wieder erstaunlich hoch. Erschreckend hoch, könnte man auch sagen. Denn so viele S sind ja gar nicht hergestellt worden. Da drängt sich unweigerlich die Frage auf, wie lange ein erfahrener Elferschrauber benötigt, um aus einem schlechten T einen schicken S zu zaubern. Die Grundausstattung: Teile für ein paar hundert Euro, eine plausible Fahrgestellnummer, ein Schweißgerät und eine hinreichende kriminelle Grundenergie. Das Thema „Echtheit“ wird in der Klassikerbranche trotz alledem noch kaum diskutiert. Meine Theorie: Neben den zahlreichen – teils bekannten – RS-Fälschungen sind in den letzten Jahren zahlreiche „S“ Klone entstanden, die den Kauf eines Autos für fast 100.000 Euro gerade für unerfahrene Käufer zum Vabanque-Spiel machen. Eine nachvollziehbare Historie wird in Zukunft einen deutlich höheren Stellenwert bekommen, als Fahrgestellnummern oder Geburtszertifikate. Bitte kontaktieren Sie den Vorbesitzer Ihres Fahrzeuges!

Unter den zahlreichen Porsche Händlern fiel übrigens Händler Urgestein Ande Votteler positiv aus dem Rahmen. Vor Vottelers herrlich patinierten originalen 356er Speedstern hielten auch Nicht-Experten ehrfuchtsvoll inne. So sehen klassische Autos mit Geschichte aus. Ich war so beeindruckt, dass ich seine Elfer völlig ignoriert habe…

Porsche Classic auf der Techno Classica – Original-Ersatzteile jetzt wieder vermehrt aus Stuttgart
„Besser spät als gar nicht“ dachte sich wohl Porsche und erweitert mit Porsche Classic die Ersatzteilfertigung für Urelfer und F-Modelle ganz erheblich. Der Erfinder der luftgekühlten Ikone hat ordentlich investiert, zahlreiche Werkzeuge überarbeitet und neu eingelagert. Das domumentierte die Porsche Classic Sektion auf der Techno Classica mit einem überdimensionalen Ersatzteilregal. Und darin fanden sich Überraschungen. So sind laut Aussage von Porsche Classic jetzt unter anderem Kotflügel fürs F-Modell erhältlich, bei denen der Aufwand der Nachbeabeitung deutlich geringer ausfällt. Zudem sind rare Teile wie der 85 Liter Tank in Kunstoff wieder erhältlich. Das Ganze – man staune – zu Kursen, die so manchen E-Bay Deal zum Apothekenpreis degradieren. Beispiele gefällig? F-Modell Tür komplett neu für 1300 EUR (KTL beschichtet). Bei Ebay kostet eine gute Gebrauchte bis ca. 1000 EUR und muss dann natürlich noch umfassend überholt werden. Der bei Ebay schon für 4000 EUR gesichtete 85 Liter Kunstoff-Tank: Jetzt wieder neu von Porsche Classic für relativ übersichtliche 1300 EUR. Sonnenblenden fürs F-Modell (zur Zeit nicht für Geld und gute Worte zu kriegen): 85,– EUR und so weiter. Das auffallend junge Team bei Porsche Classic konnte auf dem Techno Classica Stand mit einem sympathischen Auftreten, großem Engagement und Knowhow aufwarten. Demnächst auch in Ihrem Porschezentrum? Da freuen wir uns drauf!

Techno Classica Organisation – besser geht immer
Zum Abschluss noch zwei Worte zur Organisation der Messe. Durch die Vorverlegung der Öffnungszeiten auf 9.00 Uhr entspannte sich 2012 erstmals die Parkplatz- und Besucherschlangensituation ein wenig. Ein Schritt in die sehr richtige Richtung. Kritikpunkt: Die gesalzenen Preise für Getränke und Snacks haben das Prädikat „frech“ schon nicht mehr verdient. Ganz besonders, da die Qualität der offerierten Messeverpflegung sich an einigen Ständen umgekehrt proportional zu den Preisen verhält. Nicht gut!

Fazit
Eine Messe, die man nicht verpassen sollte. Sehr großes Angebot an klassischen Porsches und Automobilia. Belegte Brötchen mitnehmen!

 

 

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hansbahnhof

Unheilbarer Petrolhead seit 1966. Hat begonnen mit Vespa-Motorrollern und dann irgendwann mit Porsche weitergemacht.

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